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Die 100 wichtigsten Jazz-Standards
Auswendig spielen [4/4]
Die Akkorde eines Jazz-Standards auswendig zu lernen mag vielleicht das schwierigste sein, insbesondere für Melodieinstrumente. Pianisten und Gitarristen haben zwar den Vorteil, dass sie, bedingt durch die Natur ihres Instruments, meist bessere harmonische Kenntnisse haben. Dafür können Melodieinstrumente bei unsicheren Passagen auch mal nur nach Gehör improvisieren, wenn sie klar begleitet werden. Für Harmonieinstrumente dagegen ist es etwas schwieriger, die Akkorde eines unbekannten Jazzstückes nur durch die Basslinie und die Melodie zu erahnen.
Ein noch größeres Problem als das auswendig lernen ist es allerdings, sich nach ein paar Monaten noch an das Gelernte zu erinnern, wenn das Stück nach einer längeren Pause wieder gespielt wird. Deswegen hier abschließend noch ein paar Tipps dazu:
- Man sollte immer versuchen, die Akkordfortschreitungen zu verstehen statt sie nur stur auswendig zu lernen. Dazu gehört, dass man sich über die verschiedenen tonalen Zentren im klaren ist und größere harmonische Zusammenhänge erkennt, wie z.B. Kadenzen, Rückungen, Turn-arounds oder Fragmente des Quintenzirkels.
- Wer ein Melodieinstrument spielt, sollte sich unbedingt mit dem Klavier beschäftigen. Mit keinem anderen Instrument kann man sich die Harmonien besser vor Augen führen.
- Dann sollte man sich die Form des Stückes anschauen: Wieviele Takte sind es insgesamt, und wie kann man diese sinnvoll gruppieren? Oft gibt es harmonisch identische Passagen, die das auswendig lernen vereinfachen. Manchmal gibt es aber auch Fallstricke, wenn eine identische Passage an zwei Stellen im Stück vorkommt, sich aber anders auflöst.
- Bei manchen Stücken verändert sich auch das "harmonische Tempo", so z.B. bei "Solar". Während am Anfang die II-V-I-Kadenzen sich über vier Takte erstrecken, sind es am Ende nur noch zwei. Das Stück wird also harmonisch dichter. Auch "My Funny Valentine" enthält solche harmonischen Tempowechsel, was bei dem langsamen Tempo verhängnisvoll werden kann, wenn man das Stück nur "fast auswendig" kann.
- Generell ist auch wichtig, sich von einem Jazz-Standard unterschiedliche Aufnahmen von bekannten Jazzmusikern anzuhören, und auch verschiedene gedruckte Notenversionen abzugleichen. Es gibt nämlich oft mehrere Möglichkeiten, wie eine Passage harmonisiert werden kann, zudem enthalten manche Realbook-Versionen auch Fehler.
- Hilfreich ist auf jeden Fall eine kleine Liste mit allen Jazz-Standards, die man kann, evtl. differenziert nach "kann ich auch in 100 Jahren noch sicher" und "sollte ich gelegentlich mal wiederholen".
- Und wirklich verstanden hat man ein Stück erst, wenn man es in allen Tonarten spielen kann. Wer also denkt, dass er "Body And Soul" auswendig kann, soll es mal in einer der 11 anderen Tonarten versuchen...
Wer noch weitere nützliche Tipps hat, kann sie mir gerne zumailen. Willkommen sind auch Ergänzungen oder Kommentare zur Übersicht zu den verschiedenen Realbooks.
Ansonsten viel Spaß beim auswendig lernen... Es lohnt sich!